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MACHEN - Susan Donath & Vroni Schwegler

10.04.2021

MACHEN - Susan Donath & Vroni Schwegler

MACHEN 1 fand im Zusammenhang mit der Ausstellung SUSAN DONATH & VRONI SCHWEGLER am Tag zuvor statt.

Dr. Sonja Müller schreibt dazu:
... Am kommenden Tag treffen wir uns zum Werkstattgespräch. Es geht um das MACHEN von etwas, was mit Textil zu tun hat, um Handarbeit, die eher als eine Frauendomäne angesehen wird und um die Idee des gemeinsamen Tuns. Und darum, über das MACHEN miteinander ins Gespräch zu kommen. Ob das virtuell realisierbar ist?

Ein erlegter Goldhase, welke Blumen und ein Kamerablick auf zwei Menschen – mal von oben auf die Hände und mal von vorne – das ist es, war es, was unsere virtuellen Gäste sehen.

Susan Donath erlernt handwerkliche Tätigkeiten oder Handarbeitstechniken aus Interesse, sie möchte wissen, wie sie funktionieren. Nicht unbedingt müssen sie in ihre künstlerische Arbeit einfließen, schon gar nicht eins zu eins. Die Totenkrone hat es ihr besonders angetan. Totenkronen, so lernen wir, wurden ursprünglich für Ledigenbegräbnisse angefertigt, wie eine Art Brautkranz für diejenigen, denen ein Hochzeitsfest verwehrt geblieben ist. Später hat man sie auch als Andenken an die Verstorbenen gemacht. Wobei das (gemeinschaftliche) MACHEN auch eine Form war Zeit zusammen zu verbringen, eine Form gemeinsamer Trauerbewältigung.

Das MACHEN braucht Zeit. Zeit für den Herstellungsprozess. Diese Zeit ist ein Gewinn. Es ist Zeit, die man miteinander verbringt. Mit dem Draht, mit den eigenen Händen, mit der Idee im Kopf, mit dem goldenen Schimmer des Stanniolpapiers.

Goldblüten in Draht.
MACHEN als eine Form der geteilten Zeit.

Unser Maskottchen: Der Lindt Osterhase. Eine Hommage an Vronis Arbeit.

Auch Vroni Schwegler interessiert sich für Fische. Sie malt Fische. Sie malt tote Tiere. Sie malt auch Hasen.

Susan fertigt aus Draht und dem goldenen Papier des Lindt Osterhasen Miniblüten. Vroni transportiert die Technik mit dem Goldhasenpapier auf ihre Thematik – und formt mit der dünnen, goldfarbenen Folie ihren kleinen Finger ab. Eine Art Reliquie.

Auch Vroni Schwegler interessiert sich für Fische. Sie malt Fische. Sie malt tote Tiere. Sie malt auch Hasen.
Und Blumen.

Warum Blumen? Vroni sucht das, was vor ihrer Haustür ist. Sie möchte die Blumen kennenlernen und die Bekanntschaft vertiefen über das zeichnen und malen. Der Impuls jedoch, der sie zum MACHEN zwingt, ist die Vergänglichkeit.

Die Wegwarte ist eine Blume. Susan hat sie in Draht und kleinen blauen Perlen nachgeformt.

Wenn man Zaubertrank herstellen will, braucht man weiße Wegwarte.
Die blaue Wegwarte wird in der gleißenden Sonne weiß.

Wie sind die Künstlerinnen zum Fisch gekommen? Zum toten Fisch?
Susan interessiert sich für die tote Eigenschaft eines Fisches: Er treibt an der Oberfläche. So entstanden die Wachsfische.

Auch Vroni Schwegler interessiert sich für Fische. Sie malt Fische. Sie malt tote Tiere. Sie malt auch Hasen.
Und Blumen. In Serien.

Objekte ähnlichen Typs vereinfachen und dann daraus etwas Neues zu MACHEN verbindet beide Künstlerinnen. Das Vervielfachen geschieht bei Vroni durch die schwarmartige Hängung der kleinen Bildtafeln. Es geht auch um den Bezug, den die einzelnen Täfelchen zueinander haben, auch um Bewegungsmotive, auch im Bild. Und im Schwarm.

Fische in Wildbretform können nicht ausbrechen in ihrer Uniformiertheit und Masse. Doch wenn sie an der Oberfläche des Wassers treiben tritt die Bewegung in den Vordergrund.

Der Goldhase und die Wildbretform der Fische.

Vroni zeichnet.
Für Vroni ist das Arbeiten in Gemeinschaft nicht unbedingt eine Situation, die sie aktiv sucht. Sie braucht eher den Rückzug und das Selbstgespräch. Nicht verbal. Mit Stift und Papier in Kontakt treten. Und dem Hasen, dem Fisch, dem Ast. Es ist eine angenehme Form des Zuhörens, wenn die Hand beschäftigt ist. Findest du das Zeichnen eine Form des Denkens ist? Ja. Eine Analyse. Ein analoges Denken.

Das Dreidimensionale. Die Umsetzung der Äste in die zweidimensionale Zeichnung auf dem Blatt. Sich selbst folgen, sich angucken, welche Strategie man nutzt. Die künstlerische Arbeit ist eine Form, um mit der Welt in Kontakt zu treten.

Malerin und Bildhauerin – es sind zwei unterschiedliche Herangehensweisen, die sich gegenüber stehen. Ist die Malerei intuitiver? Die Umsetzung direkter? Ein Werk in einem Stück auszuführen, ist für Bildhauerin Susan undenkbar. Prozesse und Material sind anders ausgerichtet und geplant. Die künstlerische Arbeit beginnt mit der Materialsuche, mit dem Ausprobieren und dem Experimentieren.

Vroni hat vorab kein Bild im Kopf. Sie sucht ein Motiv, mit dem sie in Resonanz treten kann in einem sehr stabilen Versuchsmodus.

Wenn ich kleine Goldblüten winde und diese Artefakte vor mir liegen habe, stelle ich eine Dopplung her, die eine eigene Realität und Vergänglichkeit hat. Was tue ich da: Transformiere ich, schaffe ich neu, verforme oder übersetze ich, dokumentiere ich...? Fragt eine Teilnehmerin.

Welche Rolle spielt das Experiment?
Das Papier des Goldhasen, welches das Krepppapier ersetzt.
Darüber nachzudenken ein Buch zu schließen, sodass es nicht mehr benutzbar ist.

Welche Rolle spielt Erfahrung?
Die Unerfahrenen sind zu beneiden, weil sie in alle Richtungen offen sind.

Narben und Spuren.
Zufälligkeit.
Manchmal sind die kleinen Sachen, die nicht so perfekt sind, in ihrer Gänze viel schöner.

Der Ast und der Draht. Die Faszination und die Bewunderung für die zarten Knospen des kleinen Ästchens. Das nachbilden mit Draht. Warum? Um der Form auf die Spur zu kommen. Ein Sich-heran-tasten. Mit Gold umwickelt.

Das Forschen, das Interesse, die Neugier.

Welche Rolle spielt die Herkunft?
Susan sieht in Vroni Süddeutschland: Würde, Ehre, Religion, Tiere. Susan kommt aus Dresden. Hat eine andere Offenheit. Eine andere Herkunft oder persönliche Tradition.

Man kann nicht einfach aus einer Tradition aussteigen. Man schaut sie sich besser an.

Wenn man Zaubertrank herstellen will, braucht man weiße Wegwarte.
Die blaue Wegwarte wird in der gleißenden Sonne weiß.

Für mich ist das MACHEN – in Gemeinschaft – einem Universum gleich. Die Frage nach der Hand-Kopf-Koordination, das Denken mit den Händen, wenn Material und Handlung anfangen, Strukturen zu schaffen, die sich verselbständigen... und während wir das Tun, MACHEN wir uns Gedanken oder sind unaufmerksam oder erlauben dem Tun, uns in einen Flow zu entlassen. Wir denken über die inhaltlichen Bezüge nach und dergleichen oder eben auch nicht. Ich denke an Kleist: Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden. Das MACHEN in Gemeinschaft eröffnet dynamische Räume, die ich alleine nicht finden kann. Oder schwieriger. Oder anders. (Carolin Kropff)

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