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Textil Kunst Malerei

  • 27. März
  • 3 Min. Lesezeit



Adam & Eva Dress, Felicity Brown (Pigment, Kasein auf Baumwolle)


Textil und Pigment als Material

2009 traf ich Felicity Brown in Dubai. Der lebendige Austausch mit ihr ließ mich Malerei neu denken. Meine grundlegende Haltung zur Malerei habe ich dabei nicht aufgegeben, sondern sie durch Materialerfahrungen und historische Perspektiven erweitern können. 


Obwohl ich aus dem Schneiderhandwerk komme, verstand ich erst spät, dass die Leinwand selbst Stoff ist, dass ich also auf Stoff male – und nicht auf einem abstrakten Bildträger, wie ich zuvor annahm und wir die Leinwand gewöhnlich kategorisieren. Vielleicht lag diese Fehleinschätzung an der künstlichen Trennung zwischen freier und angewandter Kunst, Handwerk und Volkskunst. 


Ich habe seither viel Zeit investiert, mehr über die spezifische Manifestationen von Fasern und Stoffen zu lernen. Die entsprechenden Techniken wirken auf den ersten Blick einfach, doch entfalten sie in der Anwendung und ihren Möglichkeiten eine unendliche Komplexität. Das Wort Textil verweist auf seine uralte Bedeutung – es stammt vom lateinischen textilis (gewebt) und texere (weben) und offenbart seine sprachliche Verwandtschaft zu Text. Diese Verbindung ist kein Zufall: Von den Quipus der Anden (Knotenschriften) bis zu mittelalterlichen Stickmustern als ‚Text‘ war das Weben stets auch eine Form des Denkens, des Ausdrucks und des Mitteilens. Mein Freund Hassan Sharif sprach über seinen künstlerische Praxis als Weben. 



Adam & Eve Dress, Felicity Brown (Pigment, Kasein auf Baumwolle), während der Adam & Eve Journey, NM, 2017.



Während meines Kunststudiums und in den folgenden Jahren widmete ich mich intensiv der Malerei, mit besonderem Interesse an der Ölmalerei. Mich faszinierte unter anderem, dass sich die Erscheinungsform der Pigmente während des Malprozesses mit Öl als Bindemittel sich in Bezug auf das Ergebnis nicht verändern, was bei wasserlöslichen Bindemitteln nicht der Fall ist. 


Nach meinem Abschluss an der Städelschule zog ich mit meiner Familie nach Madrid und konnte dort in dem schönsten Museum der Welt, dem Prado, die alten Meister studieren – ausgehend von Tizian, den Manet einen „Vater der Malerei “ nannte. Was ich besonders von Tizian, aber auch Rubens und Goya, die sich alle auf Tizian bezogen, lernte, betraf nicht nur den schichtweisen Aufbau der Malerei - die Trennung von Farbe und Form, sondern auch die Alchemie der Farben - das Wesen und die Handhabung des Pigments als kleinster Materialeinheit, seinen ethereischen Charakter, der zwischen Materie und Schwerkraft zu schweben scheint. Bei Tizian werden der Bildträger und das sichtbare Bild eins, die Figuren scheinen aus der Leinwand hervor und versinken wieder in sie hinein. Lässt man sich auf seine Malerei ein, kann man sich zutiefst an Mensch erleben, in der Großartigkeit und der Vergänglichkeit. Tizian erreicht dies durch seine Malerei - durch die Verteilung der Pigmente und ihrer Beziehungen untereinander, und nicht durch die Illustration von Inhalten. 


Nehme ich Fasern, Fäden und Stoffe in die Hand, ist es, als halte ich diese ethereische Präsenz der Pigmente selbst in der Hand – eine Möglichkeit, die Welt auch durch den Tastsinn zu begreifen. Es ist ein wenig so, als würde ich die Pigmente direkt in die Hand nehmen und damit auf der Fläche (und im Raum) arbeiten. Dieser Gedanke führt mich zurück zu Tizian. Tizian ging über die Leinwand hinaus, wenn ich das so sagen kann, über die Vorstellung von Leinwand als bloßer Träger der Malerei. Leinwand, Figuren, Farbe und Pigment verschmelzen zu einer Einheit. 



Being Adam - Felicity Brown/Carolin Kropff (Öl auf Leinwand), links,

Rainbow Dress, Felicity Brown (Säurefarbe auf Seide) rechts.


Wie in jeder künstlerischen Gattung existieren spezifische Grundbedingungen, die wir ernst nehmen müssen, wenn wir Kunst in ihrer Tiefe begreifen und praktizieren wollen. Im Mai treffe ich mich mit Felicity, um uns genau über diese Fragen auszutauschen. Ich freue mich darauf!




 
 
 

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